Ein Plot, für den man töten könnte

Der erste Satz
Jacob Finch Bonner, der einst vielversprechende Autor des in der „New York Times Book Review“ unter „Neu & Nennenswert“ vorgestellten Romans „Staunen“, schloss das ihm zugewiesene Büro im zweiten Stock der Richard Peng Hall auf, stellte seine abgewetzte, lederne Aktentasche auf den leeren Schreibtisch und sah sich mit dem leisen Gefühl der Verzweiflung um.

Krimi der Woche ∙ N° 34/2022 ∙ Hanspeter Eggenberger

Ich mag Bücher, die vom Schreiben beziehungsweise von Schreibenden handeln oder überhaupt im Literaturbetrieb angesiedelt sind. Zum einen schreiben die Autorinnen und Autoren da über etwas, von dem sie wirklich etwas wissen und verstehen. Und das kann erhellend sein, jedenfalls, wenn es nicht zu selbstreferenziell ausfällt, sondern einen vielleicht auch selbstironischen Blick auf den Bereich wirft. Das ist bei „Der Plot“ der Fall. Die New Yorker Autorin Jean Hanff Korelitz nimmt da ihre Zunft mit ätzendem Humor und einer gehörigen Portion Sarkasmus aufs Korn.

Im Mittelpunkt steht Jacob „Jake“ Finch Bonner. Der galt nach seinem ersten Roman als hoffnungsvolles Talent. Sein zweites Buch floppte, das dritte wollte kein Verlag herausbringen, mit dem vierten hadert er. Notgedrungen und widerwillig unterrichtet er kreatives Schreiben am Ripley College in Vermont. Einer seiner Studenten, Evan Parker, behauptet, einen genialen Plot zu haben, der garantiert zum Bestseller werde, hält ihn aber geheim. Als er ihn schließlich seinem Lehrer Bonner erzählt, muss der – neidvoll – zugestehen, dass der Plot tatsächlich brillant ist. Doch auch Jahre nach dem Kurs am Ripley College ist Parkers Buch nicht erschienen. Jake Bonner forscht nach und stellt fest, dass Evan Parker tot ist. Da kann Jake nicht widerstehen. Er verwendet den Plot für einen eigenen Roman. Und der wird ein Riesenerfolg. Doch dann versetzen ihn bedrohliche anonyme Nachrichten in zunehmende Panik. „Du bist ein Dieb“, schreibt ihm jemand. Und nach und nach werden die Nachrichten von TalentedTom – der Deckname spielt auf Patricia Highsmiths talentierten Mister Tom Ripley und damit auf das Ripley College an – konkreter. Jake macht sich auf die Suche nach der Person, die sich hinter TalentedTom versteckt. „Ein Plot, für den man töten könnte, dachte Jake, obwohl er nichts dergleichen getan hatte; er hatte ihn lediglich aus der Versenkung geholt.“

Auch der Plot von Korelitz funktioniert. Das Buch lebt aber vor allem von den kenntnisreichen und empathischen Schilderungen der Welt der Autoren. Da geht es um von Ehrgeiz und Selbstzweifel, Narzissmus und Neid. Nebenbei auch um geistiges Eigentum und Urheberrechte. dies aber immer spannend und unterhaltsam. So unterhaltsam, dass der Streamingdienst Hulu daraus eine achtteilige Serie macht; Mahershala Ali („True Detective“) wird die Hauptrolle spielen.

Wertung: 4 / 5

Jean Hanff Korelitz: Der Plot
(Original: The Plot. Celadon Books, New York 2021)
Aus dem Englischen von Sabine Lohmann
Wilhelm Heyne Verlag, München 2022. 352 Seiten, 16 Euro/ca. 24 Franken)

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Bild: Michael Avedon

Jean Hanff Korelitz,

geboren 1961 in New York, wo sie auch aufwuchs, schloss ihr Englisch-Studium am renommierten Dartmouth College in Hanover im US-Bundesstaat New Hampshire mit dem BA ab. Sie setzte ihr Studium in England fort, wo sie das altehrwürdige Clare College in Cambridge mit dem MA abschloss und 1985 mit dem prestigeträchtigen Lyrikpreis Chancellor’s Gold Medal ausgezeichnet wurde.

1989 veröffentlichte sie eine Sammlung von Gedichten, 1996 ihren ersten Roman. Inzwischen hat sie acht Romane publiziert. „Admission“ (2009) wurde von Regisseur Paul Weitz 2013 mit Tina Frey und Paul Rudd verfilmt. Als Miniserie unter dem Titel „The Undoing“ wurde ihr Roman „You Should Have Known“ (2014; Deutsch: „Du hättest es wissen können“, 2016 bei Ullstein) von Susanne Bier mit Nicole Kidman und Hugh Grant verfilmt (HBO, 6 Episoden, 2020). Der soeben auf Deutsch erschienene Roman „Der Plot“ wird vom Streamingdienst Hulu mit Mahershala Ali in der Hauptrolle als achtteilige Serie verfilmt.

Jean Hanff Korelitz ist seit 1987 verheiratet mit dem bekannten irischen Lyriker Paul Muldoon, den sie kennengelernt hatte, als sie in England lebte. Zusammen adaptierten sie die Kurzgeschichte „The Dead“ von James Joyce für das Theater; das Stück wurde von 2016 bis 2018 während insgesamt sieben Wochen in New York aufgeführt.

Jean Hanff Korelitz und Paul Muldoon sind Eltern von zwei Kindern. Sie leben in New York.


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