Eine Frau vergilt Gewalt mit Gewalt

Der erste Satz
Die Bar war drüben in Oakland.

Krimi der Woche ∙ N° 11/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

Auf ihrem roten Motorrad der Marke Aprilia ist Nikki Griffin in der Bay Area um San Francisco unterwegs. Sie ist Inhabern eines Buchantiquariats in Berkeley, daneben aber auch als Privatdetektivin tätig. Und als Rächerin für misshandelte Frauen. Sie spürt gewalttätige Männer auf und tut und ihnen dasselbe an, das sie ihrer Frau oder Partnerin angetan haben. Und macht ihnen klar, dass das nicht alles war, wenn sie sich der Frau nochmals nähern würden.

„Die Rächerin“ ist denn auch der deutsche Titel des Romandebüts von S. A. Lelchuk. Dass es auf die sanfte Tour nicht funktioniert, hat sie gemerkt, als sie in einem Frauenhaus gearbeitet hatte. Eines Tages traf sie eine Frau, die das Haus schon drei Mal aufgesucht hatte, in schlechtem Zustand im Spital. „Ich beschloss dort und damals, dass ich ein fünftes Mal nicht zulassen würde. Der Kreislauf musste durchbrochen werden.“

Und so ist Nikki, die schon in ihrer Jugend ins Boxtraining ging, nachts oft auf ihrer Aprilia unterwegs, um Männer, die es anders nicht begreifen, mit harter Hand Mores zu lehren. Da sie nicht mit Geduld gesegnet ist, langt sie auch sonst mal hart zu. Deshalb muss sie eine psychiatrische Antiaggressionstherapie absolvieren. Protokollartig aufgezeichnet unterbrechen diese Sitzungen mehrmals die Geschichte. Sowohl hier wie auch sonst als Icherzählerin geizt Nikki mit Details zu Ereignissen aus ihrer Jugend, die sie zu der gemacht haben, die sie ist. Dies erschwert ihr auch das Knüpfen von Beziehungen. Im ersten Nikki-Griffin-Roman – in den USA erscheint im April der zweite – geht es nebenbei auch um eine neue Überwachungstechnologie: Nikki wird von einem Silicon-Valley-Unternehmen engagiert, um eine Mitarbeiterin zu beschatten, die möglicherweise Firmengeheimnisse verkauft.

Nikki Griffin ist eine spannende Protagonistin einer neuen Serie, die man gerne weiterverfolgt. Manche mag stören, dass ein Mann den Roman geschrieben hat. Auch wenn nicht, verstimmt einen etwas, dass dies offenbar verschleiert werden soll. So wird der Autorennamen lediglich mit Vornamen-Initialen genannt, es gibt kein Autorenfoto, und die Kurzbio im Buch ist so abgefasst, dass sie keinen Hinweis auf das Geschlecht gibt. Nur wer auch das Kleingedruckte liest, findet im Impressum den fast etwas verschämten Vermerk © Saul Lelchuk.

Das kann das Lesevergnügen indes nicht wirklich trüben. „Die Rächerin“ ist ein schneller, harter und actionreicher Neo-Noir-Thriller, der sich ohne Scheuklappen mit sozialen Problemen auseinandersetzt. Und nebenbei eine schöne Hommage an Bücher.

Wertung: 3,8 / 5

S. A. Lelchuk: Die Rächerin
(Original: Save Me from Dangerous Men. Flatiron Books, New York City 2019)
Aus dem Englischen von Peter Beyer
Piper Verlag, München 2021. 528 Seiten, 11 Euro/ca. 16 Franken

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Bild: Eli Burakian

S. (Saul) A. Lelchuk,

geboren in Northampton, Massachusetts (Jahrgang unbekannt), wuchs in New Hampshire auf. Er schloss sein Englischstudium 2005 am Amherst College in Massachusetts „cum laude“ mit dem B.A. ab, danach am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire mit dem Master. Sein Vater ist der Schriftsteller Alan Lelchuk, der als Gastdozent am Amherst College spätere Stars wie Dan Brown und David Foster Wallace unterrichtete.

Saul A. Lelchuk ist seit 2016 selber Gastdozent für Kreatives Schreiben am Dartmouth College. Der jetzt unter dem Titel „Die Rächerin“ auf Deutsch erschienene Krimi „Save Me from Dangerous Men“ war 2019 sein erster Roman. Das Buch wurde für eine Verfilmung optioniert und in mehrere Sprachen übersetzt. Im kommenden April erscheint der zweite Roman mit Nikki Griffin, „One Got Away“.

Der Autor lebt abwechselnd in Berkeley, Kalifornien, und in Hanover, New Hamsphire.


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