Comeback von Detroit auf der Krimi-Landkarte

Der erste Satz
Das schmale Haus im Kolonialstil hat zwei Geschosse, drei Zimmer, zweieinhalb Bäder, Parkettboden und eine kleine Küche.

Krimi der Woche ∙ N° 12/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

Als August Snow nach einem Jahr, in dem er durch die Welt gereist war, nach Detroit zurückkehrte, „hatten sich die Gemüter immer noch nicht ganz beruhigt“. Der Ex-Polizist hatte „gegen den ehemaligen Bürgermeister und etliche Detroiter Cops – jetzt entlassen oder im Gefängnis –, die ihm bei seinen diversen kriminellen Machenschaften behilflich gewesen waren“, ausgesagt. Gegen seine darauffolgende Entlassung hatte Snow geklagt – und 12 Millionen Dollar Entschädigung erhalten.

Seinen ersten Auftritt hat August Snow im Kriminalroman „Der gekaufte Tod“, mit dem der afroamerikanische Lyriker, Theaterautor und ehemaliger Werber Stephen Mack Jones als 63-Jähriger debütierte. Der neue Serienheld lebt im Haus seiner verstorbenen Eltern in Mexicantown, einem Viertel in Südwest-Detroit, in dem sich seit den 1920er Jahren Einwanderer aus dem Süden niederliessen, um in der Autoindustrie der Motor City zu arbeiten. Snows Mutter stammte aus Mexiko. Sein Vater war Afroamerikaner. Und Polizist, wie es auch der Sohn wurde.

„Wir werden definiert durch die Menschen, die wir verlieren“, hat August Snow vor seinem Vater gelernt, „diejenigen, denen wir vielleicht hätten helfen könne, es aber nicht getan haben.“ Dennoch lehnt er ab, als ihn eine reiche alte Bankbesitzerin wegen ominösen Machenschaften in ihrem Finanzinstitut um Hilfe bittet. Als sie wenig später tot ist, will die Polizei das als Suizid abhaken. Doch Snow glaubt nicht daran und macht sich auf die Jagd nach dem Mörder.

Es entwickelt sich eine actionreiche Geschichte, die spannend und mit trockenem Humor erzählt ist. Dabei werden nicht nur soziale Unterschiede immer wieder deutlich, Icherzähler Snow geizt auch nicht mit sarkastischen Feststellungen: „Wenn es strafbar wäre, ein egozentrischer Drecksack zu sein, dann sässe keine Menschenseele im US-Senat.“

Eine zentrale Rolle spielt in „Der gekaufte Tod“ der Schauplatz. Seit den Detroit-Krimis von Loren D. Estleman, die leider seit 30 Jahren nicht mehr auf Deutsch erscheinen, hat man diese Stadt in der Kriminalliteratur nie mehr so intensiv erlebt. Bei Jones zeigt sich in der einst pulsierenden „Motown“, die durch den Niedergang der amerikanischen Autoindustrie in den Bankrott gerissen wurde und zum Teil zur Geisterstadt wurde, ein neuer Aufschwung. Dieser manifestiert sich auch in der Gentrifizierung einst verschmähter Stadtteile wie Mexicantown. Snow, der sein Viertel mag, setzt sein neues Vermögen dafür ein, alte Häuser zu sanieren und als zahlbaren Wohnraum zu erhalten. Dabei bleibt der Ex-Polizist, der mit einer inneren Zerrissenheit zu kämpfen hat, aber immer skeptisch: „Da ich aus Detroit stammte, habe ich dem Glück natürlich nie so recht getraut.“

Wertung: 4 / 5

Stephen Mack Jones: Der gekaufte Tod
(Original: August Snow. Soho Press, New York 2017)
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Tropen, Stuttgart 2021. 359 Seiten, 17 Euro/ca. 26 Franken

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Bild: PD/APL

Stephen Mack Jones,

geboren 1954 in Lansing, Michigan, studierte an der Michigan State University in East Lansing. Nach dem Abschluss zog er nach Detroit. Er arbeitete während rund 30 Jahren in der Werbung und Marketingkommunikation, bevor er sich ganz der Literatur zuwandte.

Er veröffentlichte Gedichte und schrieb Theaterstücke. Mit 63 Jahren veröffentlichte er 2017 seinen ersten Kriminalroman „August Snow“, der jetzt unter dem Titel „Der gekaufte Tod“ auf Deutsch erschienen ist. Das Werk wurde mit dem renommierten Hammett-Preis und dem Nero Award ausgezeichnet. Es ist der Auftakt einer Reihe mit August Snow als Hauptfigur. In den USA ist 2019 der zweite Band, „Lives Laid Away“, erschienen, und im kommenden Mai folgt der dritte, „Dead of Winter“.

Stephen Mack Jones lebt seit Jahrzehnten im Grossraum Detroit, aktuell in Farmington Hills, einem Vorort der Motor City.


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