Ein Thriller, der George Orwell begeisterte

Der erste Satz
A. phalloides, allgemein bekannt als „weisse“ oder tödliche Amanita bzw. als Grüner Knollenblätterpilz, und die verwandte Art Amanita verna (der „Todesengel“ von Bulliard – ach, der poetische alte Bulliard!) sind verantwortlich für die allermeisten tödlich verlaufenden Pilzvergiftungen.

Krimi der Woche ∙ N° 23/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

Als seine Geliebte ihn verlassen will, bringt Desmond Thane sie um. Eiskalt erwürgt er sie in ihrer Wohnung. Einen Haufen Geld und ein geheimnisvolles Büchlein steckt er ein. Die Tat bereut der Journalist im London der späten 1930er Jahre nicht, aber die möglichen Folgen machen im Sorgen. Doch es ist dann nicht die Polizei, die ihn jagt, sondern eine obskure Geheimorganisation. Denn die Geliebte war eine Agentin dieser Organisation, und das Büchlein, das er mitnahm, enthält eine codierte Kontaktliste.

1941 ist der Politthriller „Es gibt keine Wiederkehr“ von John Mair in England erschienen, jetzt liegt dieser vergessene Klassiker erstmals auf Deutsch vor. Damals rühmte der Autor George Orwell den Roman „als Beginn einer ganz neuen Art von Thrillern“. Er sei „sehr viel anspruchsvoller“ als die damals üblichen Thriller: „Sämtliche Verbrechen bleiben ungesühnt, nirgends ist eine schöne Jungfrau zu retten, und niemand handelt aus Patriotismus.“

Die Geheimorganisation setzt ihre Agenten und Killer auf den Journalisten an und entführt ihn, um zu erfahren, für wen er tätig ist. Die Organisation ist ein bizarrer Zusammenschluss von Oppositionellen aus ganz Europa, die alle etwas gegen die – sehr unterschiedlichen – Machthaber in ihren Ländern tun wollen. Als „Bund der Entrechteten“ bilden Kommunisten, Nazis und Liberale gemeinsam ein „Schattenkabinett eines grossen Teils dieser Welt“. Sie verbünden sich vorübergehend, um mit vereinter Stärke gegen ihre Gegner anzutreten, die untereinander verfeindet sind. In Thane vermuten die Verschwörer einen feindlichen Agenten. Der, ohnehin ein pathologischer Lügner und ein fantasievoller Fabulierer, nutzt dies, um sich möglichst mit Gewinn und zumindest körperlich unversehrt aus seiner Situation zu befreien.

Als ersten Antihelden des Genres bezeichnet Martin Compart, der Herausgeber der deutschen Ausgabe, in einem kundigen Nachwort den Protagonisten: „Mit seinem Antihelden bricht der Roman durch eine literarische Strassensperre nach der anderen. Nie wurde mit den etablierten Klischees des Spionageromans konsequenter gebrochen.“

Antihelden wie Desmond Thane haben sich in den letzten 80 Jahren im Genre etabliert. „Ich glaube, dass ich weder persönlich noch gesellschaftlich durch so etwas wie ein Gewissen behindert werde“, sagt er einmal.

Mairs einziger Roman – er verlor als Pilot der Royal Air Force ein Jahr nach dem Erscheinen des Buchs sein Leben – ist keineswegs nur für Genrehistoriker interessant. Die Geschichte ist wild, voller englischer Exzentrik, gewürzt mit etwas schwarzem Humor, also ziemlich unterhaltsam.

Wertung: 4 / 5

John Mair: Es gibt keine Wiederkehr
(Original: Never Come Back. London 1941)
Aus dem Englischen von Jakob Vandenberg. Nachwort von Martin Compart
Elsinor Verlag, Coesfeld 2021. 264 Seiten, 18 Euro/ca. 25 Franken

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Bild: Oxford University Press, 1986

John Mair,

geboren 1913 in London, gestorben 1942, war der Sohn des bekannten britischen Journalisten und Autor G. H. Mair und der irischen Schauspielerin Máire O’Neill. Der Vater starb schon 1926, John Mair und seine Schwester wuchsen bei der Mutter auf, die als Er studierte am University College London, wo er als Debattenredner brilliert haben soll. Mair schrieb dann Essays und Buchbesprechungen für renommierte Zeitungen, darunter den „New Statesman“. Er war zudem ein leidenschaftlicher Spieler und er galt als exzentrischer Dandy. 1940 heiratete er und zog nach Hertfordshire.

1939 begann er mit der Arbeit am Roman „Never Come Back“, der 1941 veröffentlicht wurde (und der jetzt erstmals auf Deutsch erscheint: „Es gibt keine Wiederkehr). Mitten in der Kriegszeit wurde dem Roman nicht der erwartete Erfolg zuteil, obwohl auch eine amerikanische Ausgabe erschien.

Durch den frühen Tod Mairs gab es keine weiteren Romane dieses vielversprechenden Autors. Nach seiner Einberufung begann er bei der Royal Air Force eine Pilotenausbildung – für die Luftwaffe soll er sich entschieden haben, weil ihm deren Uniform am besten gefiel. Bei einem Trainingsflug wurde er 1942 beim Zusammenstoss von zwei Flugzeugen vor der Küste Yorkshires getötet.

Jahre später diente der einzige Roman Mairs als Vorlage für einen Film: „Tiger by the Tail“ (1955) war jedoch „ein wohlverdienter Misserfolg“, wie Martin Compart, der Herausgeber der deutschen Fassung des Romans, im Nachwort anmerkt. Nach einer Wiederveröffentlichung des Romans (Oxford University Press, 1986; mit einer Einführung von Julian Symons) gab es eine Hörspielversion. 1989 gab es einen 150 Minuten lange TV-Adaption unter dem Originaltitel „Never Come Back“, Regie führte Ben Bolt.


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