Ein kleines, dreckiges B-Movie

Der erste Satz
Der Film: Die Küste, der Palmenwald, ein rot-weisser Bus auf der Strasse entlang am Meer, Sonne und Strand, und die ersten Takte des Songs ertönen … „the harder tey come …“.

Krimi der Woche ∙ N° 40/2023 ∙ Hanspeter Eggenberger

Hamburg 1979. In den Kneipen kreischen Stromgitarren. In den Hinterzimmern werden Drogendeals eingefädelt. Die Polizei jagt Terroristen. Erste Punks mischen sich in die Szene. Die Jugend träumt von Freiheit. In der Spätvorstellung läuft der Kultfilm „The Harder They Come“ mit Jimmy Cliff.

Der Film und der Titelsong von Jimmy Cliff – „The harder they come, the harder they fall“ – ist das Leitmotiv des neuen Kriminalromans „Harter Fall“ von Frank Göhre. Der Altmeister zeigt wieder einmal, wie Noir auf Deutsch gehen kann. Hart, schnell, rhythmisch. Kein Firlefanz. Film ist nur ein Thema, filmisch ist auch die Erzählweise und -struktur. Knappe Beschreibungen. Knackige Dialoge. Keine Erklärungen. Harte Schnitte. Nur gerade 163 Seiten braucht Göhre für seine keineswegs unterkomplexe Story.

Ein Mädchen aus Dänemark will zur deutschen Ferienliebe nach Flensburg. Der Typ ist aber inzwischen in Hamburg, angeblich als Student. Das Mädchen wird in Hamburg tot aufgefunden. Ihre Ferienliebe findet Ermittler Hinnerk aber an der Uni nicht. Studentin Ulrike dealt mit Drogen. Ihr Vater, der im Radio Rockmusiksendungen moderiert, ist einer ihrer Kunden. Der Bruder, Torsten, reist mit zwei Freunden, inspiriert von „The Harder They Come“ nach Jamaika. Nur zwei der drei kehren zurück.

Göhre reiht Szene an Szene, dazwischen beschreibt er Szenen aus dem Film. Fast schon Film im Film. Manches fügt sich zusammen, ergibt langsam ein Bild, anderes zerflattert im Rausch der Zeit. Das Ende kommt eher abrupt, aber stimmig. Und als Abspann gibt es die Playlist zum Buch. Sie reicht von „Chant“ von Public Image Ltd. und „Dancing Queen“ von Abba über „Tränen lügen nicht“ von Michael Holm, „Johnny Too Bad“ von The Slickers, „Cocaine“ von J. J. Cale und „Legalize It“ von Peter Tosh bis zu „London Calling“ von The Clash und „Proud Mary“ von CCR.

Frank Göhres „Harter Fall“ ist nicht grosses Kino. Sondern ein kleines, dreckiges B-Movie, das das Zeug dazu hat, zum Kultfilm im Spätprogramm zu werden.

Wertung: 4,2 / 5

Frank Göhre: Harter Fall
CulturBooks, Hamburg. 163 Seiten 17 Euro/ca. 24 Franken

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Bild: Wikimedia

Frank Göhre,

geboren 1943 in Tetschen-Bodenbach im Sudentenland, heute Tschechien, wuchs in Bochum auf. Nach einer kaufmännischen Lehre machte er eine Lehre als Buchhändler. Er arbeitete dann in Bochum, Köln und Essen als Buchhändler und Bibliothekar und in Verlagen. Für den Willi-Weismann-Verlag in München war er ab 1977 als Lektor tätig.

1971 veröffentlichte er sein erstes Buch „Costa Brava im Revier“. Inzwischen hat er neben zahlreichen Romanen und Erzählungen auch einige Drehbücher geschrieben, darunter für die TV-Reihe „Tatort“. Zusammen mit Regisseur Carl Schenkel zeichnete er für das Drehbuch des Kinofilms „Abwärts“ (1984) verantwortlich. Für „St. Pauli Nacht“ (1997) von Sönke Wortmann wurde er mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichnet.

Sein erster Kriminalroman, „Der Schrei des Schmetterlings“ (1986), der erste Band seiner Kiez-Trilogie, wurde mit dem Deutschen Krimipreis geehrt. Diesen Preis erhielt er auch für die Kriminalromane „Der Auserwählte“ (2010) und „Verdammte Liebe Amsterdam“ (2020).

Frank Göhre hat sich intensiv mit dem Schweizer Schriftsteller Friedrich Glauser (1896–1937) auseinandergesetzt, der als Vater der modernen deutschsprachigen Kriminalliteratur gilt. In den 1980er Jahren hat er Glausers Werke neu herausgegeben. 2009 veröffentlichte er im Zürcher Unionsverlag unter dem Titel „Mo“ den „Lebensroman des Friedrich Glauser“. Sein Interesse an grossen Meistern der Kriminalliteratur zeigen auch die zusammen mit Alf Mayer geschriebenen Bücher über Ed McBain („Cops in the City“, 2016) und über Elmore Leonard („King of Cool“, 2019).

Seit 1981 lebt Frank Göhre als freier Autor in Hamburg.


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