Don Winslow verabschiedet sich mit einem furiosen Las-Vegas-Thriller
Der erste Satz
Danny sieht das Gebäude einstürzen.
Krimi der Woche ∙ N° 24/2024 ∙ Hanspeter Eggenberger
„City in Ruins“ ist das letzte Buch des amerikanischen Bestsellerautors Don Winslow. Wenn er sich denn tatsächlich an seine Ankündigung vor drei Jahren hält, sich fortan ganz der Politik zu widmen. Was in seinem Fall bedeutet, seinen Ruf und auch Ressourcen einzusetzen, um eine neuerliche Wahl von Trump ins Weisse zu Haus möglichst zu verhindern.
Es ist verdienstvoll und hoffentlich auch nützlich, dass er dies tut. Doch wenn das dann hoffentlich geschafft ist, könnte er ja vielleicht sein Talent doch wieder für ein Buch einsetzen. Siebzig ist ja kein Alter, in dem man sich als Schriftsteller total ins Rentnerleben zurückziehen muss.
Die meisten Bücher von Winslow habe ich jedenfalls sehr gerne gelesen. Von der witzig-schrägen Neil-Carey-Serie (fünf Bände von 1991 bis 1996) über die Kartell-Trilogie, die man wohl als sein Hauptwerk bezeichnen kann („Die Tage der Toten“, 2005, Deutsch 2010; „Das Kartell“, 2015; „Jahre des Jägers“, 2019), zwei Surfer-Krimis (2008/2009) sowie „Savages“(2010) und „The Kings of Cool“ (2012) bis jetzt zur Danny-Ryan-Trilogie. Dazwischen gab es ein paar, nett gesagt, nicht so gelungene Werke, die interessanterweise im Original gar nie erschienen sind, was ja sicher gute Gründe hatte. Obwohl sich Winslow selbst als Unterhaltungsautor verstand, ist die Kartell-Trilogie, die mit den Mitteln des Thrillers eindrücklich das Scheitern des amerikanischen War on drugs, des „Kriegs gegen Drogen“, und der ganzen US-Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte aufzeigt, eminent politisch.
Mit „City of Ruins“ setzt Don Winslow nun einen würdigen Schlusspunkt unter seine Karriere in der Kriminalliteratur. Genauso wie seine Drogenromane lebt der dritte Band des furios erzählten Gangsterepos um Danny Ryan von der amerikanischen Realität. Konkret geht es diesmal – natürlich neben dem allgegenwärtigen organisierten Verbrechen – um Las Vegas. Anhand von Danny Ryan, der nach seinem Abstecher nach Hollywood (im zweiten Band „City of Dreams“) nun in der Spielerstadt gross ins Casinogeschäft einsteigt, zeigt Winslow, wie Mafiakreise nach und nach in legale Geschäfte investieren. Wie Las Vegas vordergründig vom organisierten Verbrechen „befreit“ wurde, während im Hintergrund alte Mobster zu angeblich seriösen Unternehmern wurden.
Das geht so lange gut, bis alte Konflikte aufbrechen. Und nicht nur Ganoven noch alte Rechnungen offen haben, die sie noch beglichen haben wollen. So etwa eine alte FBI-Agentin, die mit all ihren juristischen Bemühungen, gegen Danny Ryan vorzugehen, gescheitert ist. Danny hatte ihren Freund, einen korrupten FBI-Beamten, der die Mafia in Rhodes Island abzuzocken versuchte, getötet (im ersten Band „City on Fire“). Verwertbare Beweise gibt es zwar nicht, und da Danny den Bundesbehörden einen grossen Gefallen getan hat, werden Ermittlungen von oben abgeklemmt. Da sie aber Rache will, scheut die Agentin auch erpresserische Mittel nicht, um Konkurrenten und andere Kontrahenten auf Danny zu hetzen.
„City in Ruins“ ist ein echter Winslow im besten Sinn: virtuos geplottet, ausgezeichnet erzählt, gewürzt mit reichlich Action und Witz, angereichert mit nicht nur frei erfundenen wirtschaftlichen und auch politischen Begebenheiten. Ganz einfach: ausgezeichnete intelligente Unterhaltung.
Wertung: 4,2 / 5
Don Winslow: City in Ruins
(Original: City of Ruins. William Morrow, New York 2024)
Aus dem Englischen von Conny Lösch
HarperCollins, Hamburg 2024. 447 Seiten, 24 Euro/ca. 33 Franken
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Bild: @Don Winslow/Fb
Don Winslow,
geboren 1953 in New York City, wuchs an der Küste von Rhode Island auf. Er studierte an der University of Nebraska afrikanische Geschichte und arbeitete unter anderem als Privatdetektiv sowie als Safarileiter in Kenia und China, bevor er Militärgeschichte zu studieren begann.
Anfang der 1990er startete er seine Schriftstellerkarriere mit der Serie um den privaten Ermittler Neal Carey. Spätestens seit dem Meisterwerk „The Power of the Dog“ (2005; Deutsch: „Die Tage der Toten“, 2010) zählt er zu den erfolgreichsten Autoren des Genres. Nach diesem Drogenkrieg-Epos brillierte er mit ein paar witzigen Südkalifornien-Surfer-Krimis, die auf Deutsch vor „Die Tage der Toten“ erschienen sind. Insgesamt hat Winslow zwei Dutzend Bücher veröffentlicht. „Savages“ wurde 2012 von Oliver Stone verfilmt und machte Winslow definitiv zum Star. Neben seinen brillanten Romanen erschienen auf Deutsch auch wenig überzeugende Werke wie „Vergeltung“ und „Missing. Germany“, die auf Englisch gar nicht veröffentlicht wurden. Mit „Das Kartell“ (2015) und „Jahres des Jägers“ (2019) baute er die Geschichte von „Die Tage der Toten“ eindrücklich zur insgesamt mehr als 2500 Seiten umfassenden „Kartell-Trilogie“ aus. Mehrere Filmprojekte, die auf Werken von Winslow basieren, sind in Arbeit.
Don Winslow tritt für die Legalisierung der Drogen ein, da nur eine Entkriminalisierung den Kartellen und Banden das Geschäft legen könne. Vor allem während der Trump-Präsidentschaft begann Winslow sich mehr und mehr politisch zu engagieren. Zur Veröffentlichung von „City on Fire“, den Auftakt einer Gangster-Trilogie, kündigte er im April 2022 an, nun keine weiteren Romane zu schreiben. Die beiden Fortsetzungen, „City of Dreams“ (2023) und „City in Ruins“ (2024) waren da bereits geschrieben. Winslow widmet sich seither mit seiner „digitalen Armee“ voll und ganz seinem politischen Engagement gegen ein Comeback von Donald Trump und gegen den „Trumpism“.
Winslow lebt in Südkalifornien und in Rhode Island.