Die Spielchen der Männer der Gewalt

Der erste Satz
Die Buchhandlung war gesteckt voll.

Krimi der Woche ∙ N° 05/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

Eigentlich befasst sich Sean Duffy nur noch mit „Papierkram, Kleinscheiss und Revierdienst“. Denn der Detective bei der Royal Ulster Constabulary im nordirischen Carrickfergus ist nach zwanzig aktiven Jahren nur noch „überqualifizierter Teilzeitpolizist“, bis er endgültig in Pension gehen kann. Doch dann wird während seines Dienstes ein Mord gemeldet, und Duffys Nachfolger weilt gerade in den Ferien. Duffy übernimmt den Fall noch so gerne.

„Alter Hund, neue Tricks“ ist bereits der achte Duffy Roman von Adrian McKinty. Und wohl der vorletzte. Die Reihe spielt vor allem in den Achtzigerjahren, als der Nordirlandkonflikt brodelte und brutale Gewalt an der Tagesordnung war. Inzwischen sind wir Anfang der Neunziger angekommen. „In den vergangenen Jahren war der Kalte Krieg zu Ende gegangen, Thatcher war abgetreten, Reagan war abgetreten, die Berliner Mauer war gefallen, Nirvana hatte Michael Jackson von den oberen Rängen der Charts verdrängt, doch hier in Irland spielten die Männer der Gewalt weiter lustig ihr Spielchen.“

Der auf den ersten Blick einfache aktuelle Fall erweist sich schnell als kompliziert. Und politisch. Der auf der Strasse vor seinem Haus Erschossene lebte dort unter falscher Identität. Duffy findet heraus, dass er ein Killer eines radikalen IRA-Flügels war. Und so steckt Duffy wieder einmal mitten in den nordirischen „Troubles“. Dabei eckt er immer überall an, denn er ist Katholik bei der protestantisch beherrschten Polizei. Wird er bei einer improvisierten Strassensperre angehalten, ist es so: „Handelte es sich um protestantische Paras und sie bekamen mit, dass ich Katholik war, würden sie mir befehlen auszusteigen und vielleicht versuchen, mich umzubringen. Handelte es sich um Männer der IRA und sie fanden heraus, dass ich ein katholischer Polizist war, würden sie mir befehlen auszusteigen und ganz bestimmt versuchen, mich umzubringen.“

Adrian McKintys Duffy-Romane gehören zu den besten Polizisten-Serien in der aktuellen Kriminalliteratur. „Alter Hund, neue Trick“ bestätigt das. Es geht um Politik und Macht, es gibt reichlich Gewalt und Action, Humor und schlagfertige Dialoge sowie beiläufige kultur- und zeitkritische Betrachtungen. Und dabei bleibt die Geschichte immer spannend und auch vergnüglich. Und irgendwo auch fatalistisch. Duffy weiss, wie es herauskommt, wenn Politik in den Fall reinspielt: „Natürlich würde es in vier, fünf Monaten eine Untersuchung geben. Wir alle würden in Galauniform erscheinen und die offizielle Version vortragen, die uns befohlen werden würde. Nicht die Wahrheit. Niemals die Wahrheit.“

Wertung: 4,2 / 5

Adrian McKinty: Alter Hund, neue Tricks
(Original: Hang On St Christopher, Blackstone Publishing, Ashland OR [angekündigt; noch nicht erschienen])
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Suhrkamp, Berlin 2020. 368 Seiten, 15,95 Euro/ca. 24 Franken

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Bild: James Braund / Suhrkamp Verlag

Adrian McKinty,

geboren 1968 in Belfast, ist im nordirischen Carrickfergus aufgewachsen. Nach einem Philosophie-Studium an der Oxford University zog McKinty nach New York, wo er unter anderem als Wachmann, Vertreter, Rugbytrainer, Buchhändler, Postbote und Journalist arbeitete. 2001 zog der nach Denver, wo er als Englischlehrer arbeitete und begann, Bücher zu schreiben.

2003 debütierte er mit dem ersten Band der starken „Dead“-Trilogie um den jungen Iren Michael Forsythe, der in die irische Gangsterszene in Boston eintaucht. 2013 erschien der erste Band der Sean-Duffy-Reihe auf Deutsch: „Der katholische Bulle“ (Original: „The Cold Cold Ground“, 2012). Die Originaltitel der Reihe sind immer Songtitel oder Passagen aus Songs von Tom Waits. Inzwischen umfasst die Reihe acht Titel, ein weitere soll noch folgen, wie der Autor vor einiger Zeit angekündigt hatte. Zwischendurch veröffentlicht er den erfolgreich für den Massenmarkt getunten Thriller „The Chain“, der gegenüber seiner Duffy-Serie jedoch stark abfällt. Im Original ist der jetzt auf Deutsch erschienen Duffy-Romane noch nicht erschienen.

McKinty zog 2008 nach Australien, wo er mit seiner Familie während rund zehn Jahren in Melbourne lebte. Inzwischen lebt er wieder in New York.


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