Lügen, Liebe und Geheimagenten

Der erste Satz
Am Ende der Welt.

Krimi der Woche∙ N° 04/2022 ∙ Hanspeter Eggenberger

Pakistanische Geheimdienstler haben einen indischen Spion geschnappt. Zwar nicht im eigenen Land: Sie entführten ihn in der Nähe der Grenze im benachbarten Iran. Die Inder greifen sich ein paar Zuträger von pakistanischen Diensten, um ihren Mann durch einen Austausch zurückzubekommen. Eigentlich möchte der pakistanische Premier eine Entspannung gegenüber Indien, doch die Affäre führt zum Gegenteil.

Das ist kurz skizziert die Rahmenhandlung, mit welcher der pakistanische Autor Omar Shahid Hamid in seinem aufregenden Politthriller „Verrat“ packende Geschichten um Lügen, Korruption, Spione hüben und drüben, üble Machtspiele, Terrorismus und das fragile Gleichgewicht zwischen zwei verfeindeten Nationen zusammenhält. Und dazu gibt es eine ebenso leidenschaftliche wie dramatische Liebesgeschichte, in der die Hauptfigur steckt, Samir Ali Kahn, der Sicherheitsberater des pakistanischen Premierministers.

„Verrat“ ist der fünfte Roman von Hamid, der dritte auf Deutsch. Der komplexe Plot ist raffiniert aufgebaut, die Geschichte gut und spannend erzählt. Und kundig. Denn Hamid kennt sich aus in dem Milieu, das er beschreibt – er gehört selbst dazu.

Der heute 44-Jährige war seit 2003 bei der Antiterror-Einheit der Kriminalpolizei in Karachi tätig. Nach einem Anschlag der pakistanischen Taliban auf sein Büro, dem er knapp entging, nahm er sich ein mehrjähriges Sabbatical, währen dem er seine ersten Bücher schrieb. Seit 2016 ist er wieder in führenden Funktionen bei den Behörden in Pakistan tätig. Nachdem er zwischenzeitlich beim Geheimdienst war, leitet er seit 2020 die Antiterror-Abteilung der Polizei der Provinz Sindh in Karachi mit 2000 Mitarbeitenden.

Hamid scheut sich aber nicht, Missstände in den Behörden seines Landes klar zu benennen. Mit zuweilen ätzendem Sarkasmus beschreibt er die Ränkespiele von Bürokraten, denen das eigene Wohl näher liegt als das des Landes. Und er macht beiläufig deutlich, wie absurd das Verhältnis zwischen Pakistan und Indien ist. Zwischen den 1947 von den britischen Kolonialherren getrennten Ländern herrscht ein Kalter Krieg. Dieser dient, so lässt sich aus der Lektüre von Hamids Buch schliessen, vor allem der Positionierung, der Machterhaltung und auch wirtschaftlicher Interessen der Machthaber auf beiden Seiten.

Der Kalte Krieg zwischen dem kommunistischen Ostblock und dem Westen lieferte während Jahrzehnten den politischen Rahmen für zahllose Agentengeschichten. Der Kalte Krieg zwischen Pakistan und Indien, so beweist Hamid, eignet sich genauso gut als Fundament für faszinierende Geschichten mit politischen Dimensionen.

Wertung: 3,8 / 5

Omar Shahid Hamid: Verrat
(Original: Betrayal. Lightstone Publishers, Karachi, Pakistan 2021)
Aus dem Englischen von Almuth Degener
Draupadi Verlag, Heidelberg 2021. 327 Seiten, 19,80 Euro/ca. 28 Franken

Bestellen bei Amazon

 

Bild: David Higham Associates

Omar Shahid Hamid

ist 1977 in Pakistan geboren. Sein Vater, Geschäftsführer der städtischen Elektrizitätsgesellschaft KESC (heute K-Electric) in der Grossstadt Karachi, wurde 1997 zusammen mit seinem Chauffeur und einem Wachmann ermordet. Der Täter, ein politischer Aktivist, der in verschiedene Attentate verwickelt war, wurde zum Tod verurteilt und 2015 hingerichtet.

Omar Shahid Hamid hat einen Master in Strafrechtspolitik der London School of Economics und einen Master in Rechtswissenschaften vom University College London. Ab 2003 war er als ranghohes Mitglied der Kriminalpolizei von Karachi für Dutzende erfolgreicher Operationen gegen radikale Terroristen verantwortlich und hat führende Mitglieder der pakistanischen Taliban sowie mehrere Al-Qaida-Verdächtige festgenommen.

2010 entging er nur knapp einem Bombenanschlag der pakistanischen Taliban auf sein Büro. Danach nahm er eine Auszeit und zog 2011 nach London, wo er seine ersten Bücher schrieb: „The Prisoner“ (2013; Deutsch: „Der Gefangene“, Draupadi Verlag 2016) und „The Spinner’s Tale“ (2015; Deutsch: „Der Jihadist“, Draupadi Verlag 2019).

2016 kehrte er zurück nach Pakistan und nahm seine Arbeit als Antiterror-Offizier in Karachi wieder auf. Daneben veröffentlichte weitere Romane. „The Party Worker“ (2017) wird inzwischen als TV-Serie adaptiert. Nach „The Fix“ (2019) ist „Betrayal“ (2021; Deutsch: „Verrat“) bereits sein fünfter Roman.

Nachdem er von 2018 bis 2020 beim Geheimdienst der pakistanischen Regierung in Islamabad tätig war, leitet Omar Hamid jetzt als Deputy Inspector General in Karachi die Antiterror-Abteilung der Polizei der Provinz Sindh mit 2000 Mitarbeitenden. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne.


Zurück
Zurück

Der Killer als Künstler

Weiter
Weiter

Das wahre Leben ist ein Scheisskerl