Der Koch ist auch ein Killer

Der erste Satz
„Es gibt drei Arten von Scharfschützen.“

Krimi der Woche∙ N° 10/2022 ∙ Hanspeter Eggenberger

Alex Li ist ein ehemaliger Scharfschütze der taiwanischen Armee, war dann in der französischen Fremdenlegion. Inzwischen lebt er als Koch in Italien, wo ihn ein Auftrag seines alten Vorgesetzten aus Taiwan erreicht. Wie verlangt, erschiesst er in Rom einen Berater der Regierung von Taiwan, der mit zwei Waffenhändlern vor einem Café sitzt. Doch zurück in seinem italienischen Dorf gerät er selbst unter Beschuss. Und muss das Land fluchtartig verlassen. In Budapest wartet ein sicherer Unterschlupf auf ihn.

Es geht rasant los im Thriller „Der grillende Killer“ des taiwanischen Autors Chang Kuo-Li, der dazu durch einen Korruptionsskandal in seiner Heimat inspiriert wurde. Auch in Taipeh geht es drunter und drüber: Kommissar Wu bekommt es ein paar Tage vor seiner Pensionierung gleich mit zwei erschossenen Militärs zu tun. Er ist der harte Typ: „Wenn du ein Bulle sein willst, verhalte dich wie einer. Das war Wus Philosophie.“

Er zofft sich mit seinem Chef, der gerne Sprüche klopft. „Scharfschützen auf beiden Seiten jetzt, Wu. Es wird spannend“, sagt der Chef etwa, nachdem Li in Budapest einen auf ihn angesetzten Scharfschützen bezwungen hat. „Meinen Sie, wir dürfen in der Verfilmung auftreten?“ Über sechshundert Meter Distanz haben sich die beiden Sniper beschossen. „Zählt das noch als Häuserkampf?“, fragt Wus Chef, „oder war das schon eine Luftschlacht?“

Reichlich Action, mehrere Tote, abenteuerliche Verfolgungsjagden, politische Vertuschungsaktionen – das mischt Chang mit reichlich Humor zu einem munteren Thriller. In dessen Verlauf kehrt Alex nach vielen Jahren wieder nach Taiwan zurück, um herauszufinden, wer ihn verraten hat. Dabei finden sich der Killer und der Kommissar überraschend auf der gleichen Seite.

Die Handlung ist zwar streckenweise etwas verworren und die Geschichte bleibt insgesamt etwas oberflächlich, doch Chang gibt uns auch augenzwinkernde Einblicke in Taiwans Bürokratie: „Was der Chef sagte, war immer richtig, und die Aufgabe eines Untergebenen war es, das so lange zu wiederholen, bis der Schwachsinn, den der Hugo-Boss-Anzug absonderte, sich verflüchtigt hatte.“

Eine wichtige Rolle spielt in dem Roman das Essen. Alex, den der deutsche Buchtitel zum „grillenden Killer“ macht, kocht gerne, aber grillieren tut er nicht. Seine kulinarische Leidenschaft gilt Fried Rice, gebratenem Reis. Der wird im Wok rührgebraten. Der Grill im deutschen Titel ist dem Reim mit dem Kill geschuldet. Das tönt besser als es die exakte Übersetzung des Originaltitels „The Stir-Fry Sniper“ täte: „Der rührbratende Scharfschütze“.

Wertung: 3,2 / 5

Chang Kuo-Li: Der grillende Killer
(Original: 炒飯狙擊手; Englischer Titel: The Stir-Fry Sniper. Marco Polo, Taipeh, Taiwan 2019)
Aus dem Englischen von Alice Jakubeit
Droemer Knaur, München 2022. 320 Seiten, 16 Euro/ca. 24 Franken

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Bild: PD

Chang Kuo-Li,

geboren 1955, war Chefredaktor von „China Times Weekly“ in der taiwanischen Hauptstadt Taipeh. Als Linguist, Historiker, Militärexperte, Sportfan, Food-Kritiker sowie Dichter, Dramatiker und Romancier ist er äusserst vielseitig. Er hat mehr als dreissig Bücher veröffentlicht und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.

„The Stir-Fry Sniper“ ist sein erstes Buch, das aus dem Chinesischen übersetzt wurde. Es erscheint auch auf Englisch, Französisch, Russisch, Holländisch und Türkisch. Die deutsche Ausgabe, „Der grillende Killer“, wurde nicht aus dem Original, sondern aus dem Englischen übersetzt.


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