Wer ermordete den Reporter?

Der erste Satz
Dicke Schneeflocken wehten ihm ins Gesicht, kalte nasse Küsse auf seinen Wangen und Augenlidern.

Krimi der Woche ∙ N° 25/2022 ∙ Hanspeter Eggenberger

Vor allem ihre Serien haben der schottischen Autorin Val McDermid eine weltweite Fangemeinde eingebracht. Angefangen von der Buchreihe mit der Journalistin Lindsay Gordon über die mit Privatdetektivin Kate Brannigan und jene mit Profiler Tony Hill und Polizeidetektivin Carol Jordan bis zu der mit Detective Chief Inspector Karen Pirie.

Mit Allie Burns bringt die Erfolgsautorin jetzt eine neue Protagonistin. Sie ist eine junge Journalistin, die Ende der Siebzigerjahre in Glasgow einen ersten Job bei einer Zeitung. Nach „1979 – Jägerin und Gejagte“ will McDermid die Geschichte von Allie Burns in drei weiteren Romanen, die jedes Mal etwa ein Jahrzehnt nach dem vorherigen spielen, weiterverfolgen.

Allie wird es nicht leicht gemacht in der Machokultur der Redaktion des Glasgower Boulevardblattes. Die „Kleine“ soll sich um harmlose kleine Geschichten kümmern. Doch sie ist ehrgeizig, will als Reporterin wichtige Artikel schreiben. Danny, ein schon etwas erfahrener junger Kollegen, bietet ihr eine Gelegenheit. Er braucht jemand, der seine brisante Geschichte über den von einer Versicherung für Kunden organsierten Steuerbetrug erzählerisch und sprachlich optimiert. Und das ist eine von Allies Stärken.

Die beiden setzen das Teamwork fort mit einer nicht ungefährlichen Undercover-Recherche um ein Grüppchen junger Männer, welche die Unabhängigkeitsbestrebungen in Schottland nach Vorbild der nordirischen IRA mit Bombenanschlägen voranbringen wollen. Die beiden jungen Zeitungsleute können sich nicht lange an ihren Erfolgen freuen. Denn nach der Bombenstory wird Danny ermordet. Die Polizei präsentiert schnell einen Täter. Allie glaubt aber nicht, dass der Strichjunge der Mörder ist und recherchiert auf eigene Faust.

Meist geschickt, manchmal etwas plump bringt Val McDermid Themen, die ihr wichtig sind, in die Geschichte ein: Gleichberechtigung der Frauen, Homosexualität, soziale Gerechtigkeit, die Unabhängigkeit Schottlands. Dies bettet sie gekonnt und mit Humor in ein anschauliches Bild der späten Siebziger, in denen (nicht nur in Schottland) erheblicher Alkoholkonsum zum normalen Berufsbild des Journalisten gehörte. Und in denen übrigens gleichgeschlechtlicher Sex in Schottland noch illegal war. Daneben ist „1979“ ein klassischer „Whodunnit“, was etwas altbacken wirkt. Doch der Roman liest sich, auch dank der stimmigen Übersetzung, leicht und immer unterhaltsam. Dabei erweist McDermid beiläufig auch dem Begründer des „Tartan Noir“, William McIlvanney, die Reverenz: Abbie liest in der Freizeit dessen grossartigen, 1977 erschienen Roman „Laidlaw“.

Wertung: 3,2 / 5

Val McDermid: 1979 – Jägerin und Gejagte
(Original: 1979. Little Brown, London 2021)
Aus dem Englischen von Kirsten Reimers
Knaur, München 2022. 430 Seiten, 12,99 Euro/ca. 19 Franken

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Bild: Tim Duncan, CC BY 3.0/Wikimedia

Val McDermid,

geboren 1955 in der Hafenstadt Kirkcaldy in der schottischen Council Area Fife, zählt zu den bekanntesten Krimiautorinnen der Gegenwart. Sie stammt aus einer Bergarbeiterfamilie und war am St Hilda’s College in Oxford die erste Studierende die davor eine staatliche Schule in Schottland absolviert hatte. Nach ihrem Abschluss in Englisch arbeitete sie als Journalistin, Theaterautorin und Dozentin für Literatur.

Ihren ersten Roman „Report for Murder“ (Deutsch: „Die Reportage“) veröffentlichte sie 1987. Es war der Auftakt einer Serie mit der lesbischen Journalistin Lindsay Gordon. Es folgten weitere Serien – eine mit der Privatdetektivin Kate Brannigan, eine mit dem Profiler Tony Hill und der Polizeidetektivin Carol Jordan, sowie eine mit Detective Chief Inspector Karen Pirie – sowie einige Einzeltitel. Ihr neuster Roman „1979“, der jetzt auf Deutsch erschienen ist, ist der Auftakt zu einer vierteiligen Reihe mit der Journalistin Allie Burns. Insgesamt hat Val McDermid bisher mehr als drei Dutzend Bücher veröffentlicht. Sie ist für ihr Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, und ihre Bücher werden in rund 40 Sprachen übersetzt.

Homosexualität ist in ihren Büchern immer wieder ein Thema, und sie engagiert sich auch sonst für die Gleichstellung Homosexueller. Sie ist Feministin und Sozialistin; 2014 unterstützte sie das Referendum für die Unabhängigkeit Schottlands. Sie lebte lange in England, in Stockport in der Nähe von Manchester und in Alnmouth an der Küste von Northumberland, bevor sie 2012 zurück in ihre schottische Heimat zog. Sie lebt mit ihrer Lebenspartnerin Jo Sharp, die Professorin für Geografie an der Universität Glasgow ist, in Edinburgh. Das Paar ist seit 2016 verheiratet.


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