Die Basis jeder geheimdienstlichen Tätigkeit ist Verrat

Der erste Satz
Ein Spion zu sein, ist nicht so, wie Sie glauben.

Krimi der Woche ∙ N° 17/2023 ∙ Hanspeter Eggenberger

Zurzeit nennt er sich Jones. Das ist natürlich nicht sein richtiger Name. Den hat er ohnehin längst abgelegt. Er ist Seventeen. Das bedeutet: der siebzehnte in einer Reihe der weltbesten Auftragskiller, die von Regierungen und Geheimdiensten für die ganz dreckigen Sachen eingesetzt werden. Wer an die Spitze rückt, muss seinen Vorgänger töten. Bei Seventeen war es anders, denn Sixteen ist eines Tages verschwunden. Er hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen und ist seither unauffindbar. Jetzt muss Seventeen ihn aber finden und definitiv aus dem Verkehr ziehen.

Das ist – zumindest vordergründig – die Ausgangslage im Thriller „Seventeen“. Es ist der erste Roman von John Brownlow, einem erfolgreichen Drehbuchautor („Sylvia“ mit Gwyneth Paltrow als Sylvia Plath; Netflix-Serie „Fleming“) und weitgehend unbekannten Musiker, der aus England nach Kanada ausgewandert ist. Sein Romandebüt ist ein grosses Lesevergnügen.

Es beginnt mit den etwas grossspurigen Erklärungen des Icherzählers über die langweilige Arbeit von Spionen und seinem Topjob als Auftragskiller Nummer eins. Man befürchtet einen Moment, das Ganze könnte jetzt ins Geschwätzige abgleiten, wird aber rasch eines Besseren belehrt. Denn es geht gleich richtig zu Sache. Seventeen ist in Berlin, wo er ein paar wichtige oder sich so fühlende Menschen, die sich gerade in einem Konferenzraum in einem Bürohaus versammelt haben, in wenigen Sekunden erschiesst.

Kaum hat er den Tatort verlassen, erhält er den Auftrag, eine Übergabe im Berliner Tiergarten zu beobachten und dem Empfänger die Ware abzunehmen. Das endet in einer argen Sauerei, da der Empfänger die Speicherkarte verschluckt hat. Wie sich dann zeigen wird, geht es um ein weltpolitisches Intrigenspiel. „Nach dem Debakel mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak“, weiss Seventeen, „reichte das blosse Wort der USA niemandem mehr aus. (…) Man musste die nötigen Beweise selbst fabrizieren.“

Auch der Auftrag, Sixteen zu töten, ist nicht, was er scheint. Alles beruht auf Manipulation und Beschiss: „Die fundamentale Basis jeder geheimdienstlichen Tätigkeit ist Verrat. Man gewinnt das Vertrauen eines anderen, um ihn zu hintergehen.“

John Brownlow baut daraus eine virtuos geplottete, rasante Geschichte. Was eine platte Superheldenstory werden könnte, wird ironisch gebrochen. Es gibt zwar viel Action und brutale Szenen, gleichzeitig aber auch Humor und Situationskomik. Und immer wieder den scharfen Blick auf (welt-)politische Vorgänge und deren Hintergründe. „Weiss der Himmel, vielleicht warf POTUS auch nur einen Blick voraus ins Wahljahr und brauchte ein Plus von zehn Prozent.“ So wird „Seventeen“ auch zu einem unkonventionellen Politthriller. Eine Fortsetzung ist in Arbeit.

Wertung: 4,5 / 5

John Brownlow: Seventeen
(Original: Seventeen. Hodder & Stoughton, London 2022)
Aus dem Englischen von Stefan Lux
Rowohlt, Hamburg 2023, 396 Seiten, 13 Euro/ca. 20 Franken

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Bild: goodreads.com

John Brownlow,

geboren 1964 in Lincoln in den britischen East Midlands, studierte zunächst Mathematik, dann englische Literatur in Oxford. Ab 1990 arbeitete er in England für das Fernsehen. Er realisierte mehrere Dokumentarfilme. 1999 verlegte er sich aufs Drehbuchschreiben. Zu seinen bekannten Arbeiten zählen die Drehbücher für den Kinofilm „Sylvia“ über die Beziehung zwischen Sylvia Plath und Ted Hughes mit Gwyneth Paltrow und Daniel Craig in den Hauptrollen (2003, Regie: Christine Jeffs) und die TV-Serie „Fleming“ über James-Bond-Erfinder Ian Fleming. „Sventeen“ ist sein erster Roman; demnächst soll die Fortsetzung erscheinen,

Daneben ist Brownlow auch als Musiker aktiv und war Musikjournalist. Im Jahr 2000 verkaufte er sein Musikequipment, um den Umzug seiner Familie nach Kanada zu finanzieren. Er schreibt Popsongs, die er als Multiinstrumentalist auch selbst einspielt. 2017 veröffentlichte er das Album „The Summertime“.

Er ist britischer und kanadischer Staatsbürger und lebt in der Nähe von Toronto in der kanadischen Provinz Ontario.


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Waffen, Korruption, Drogen in Berlin – und zwei einsame Seelen

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„Bis es zu spät ist“