Wenn Männer nur als Dünger taugen
Der erste Satz
»Hallo?«
Krimi der Woche ∙ N° 38/2025 ∙ Hanspeter Eggenberger
Mit viel Engagement und Kreativität führt Yu-hee in einer (fiktiven) Stadt in Südkorea einen Pflanzenladen. Gegen alle Warnungen von Kolleginnen hat sie ihr ganzes Geld in das Projekt gesteckt. Und es hat sich gelohnt: Nach einem harzigen Start wird der originelle Shop plötzlich immer bekannter. Auch dank der sympathischen Inhaberin, die alles über Pflanzen zu wissen scheint. Mit Männern hat Yu-hee immer wieder schlechte Erfahrungen gemacht. Doch dann erweist sich ein Unternehmensberater, der einem Kunden für einen Fahrradladen ein Konzept mit Pflanzen schmackhaft gemacht hat und nun ihre Hilfe braucht, als netter Mensch. Aber nachdem Yu-hee sich mit ihm eingelassen hat, erweist er sich als genauso toxisch wie die meisten Männer, die sie kennt. So kann er sich schliesslich als Dünger für die Pflanzen in ihrem Hof nützlich machen.
Blutige Mordszenen gibt es nicht im subtilen Rachethriller „Plant Lady“ der südkoreanischen Autorin Minyoung Kang, auch wenn die Pflanzenfrau noch viel Dünger für die Hofpflanzen bekommt. Viel ist in dem von leisen Tönen bestimmten Roman von Pflanzen die Rede. Männer werden fast beiläufig aus dem Verkehr gezogen – bevor man die eigentliche Tat mitbekommt, liegen sie schon unter den Pflanzen. Es spricht es sich bei der fast ausschliesslich weiblichen Kundschaft offenbar herum, dass die Ladeninhaberin nicht nur eine Leidenschaft für Pflanzen hat, sondern sich ebenso leidenschaftlich um miese Männer kümmert. Sie muss einfach etwas tun, wenn ihr von schlimmen Typen berichtet wird. „Alle übergriffigen Männer scheinen durch eine unsichtbare Leitung über ihren Köpfen miteinander verbunden zu sein“, heisst es einmal. „Eines haben sie gemeinsam: Die Ziele ihrer Gefühlsausbrüche sind vorbestimmt. Um den Teufelskreis zu durchbrechen, der sich bei allen zufällig betroffenen Frauen wiederholt, muss der Auslöser gefunden und spurlos beseitigt werden.“
Diese Beseitigungen werden nicht explizit geschildert. Mal schwingt die Gärtnerin kurz eine Schaufel oder eine Hacke, und einmal kommt ihr neuer Häcksler zum Einsatz. Doch auch da bleibt es bei einem flüchtigen Blick auf Tat. Diese Zurückhaltung mag man als diskrete asiatische Art sehen, aber aus anderen Romanen und aus Filmen wissen wir längst, dass die Koreaner das Blut gerne mal üppig spritzen lassen. Mit Diskretion hat Kangs behutsame Erzählweise denn auch kaum zu tun. Vielmehr erzeugt sie eine unterschwellige Bedrohung. Und sie vermeidet es, dem niederträchtigen Denken und Handeln der Männer zu viel Interesse entgegenzubringen.
Zu den Männern, die etwas Aufmerksamkeit bekommen, gehört ein junger Polizeidetektiv, dem aufgefallen ist, dass manche verschwundene Männer in der Gegend von Yu-hees Laden zuletzt gesehen wurden. Und irgendwie glaubt er im Laden zu spüren, dass da nicht alles so ist, wie es scheint.
Die Geschichte mag zu Beginn etwas simpel wirken, aber die vordergründig unspektakuläre Erzählweise macht sie mit der Zeit immer faszinierender. So abgeklärt haben wir Female Rage bisher nicht zu lesen bekommen.
Wertung: 3,8 / 5
Minyoung Kang: Plant Lady
(Original: [Plant Lady]. Hankyoreh, Seoul 2024)
Aus dem Koreanischen von Kyong-Hae Flügel
Heyne, München 2025. 205 Seiten, 20 Euro/ca. 30 Franken
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Bild: ©Minyoung Kan
Minyoung Kang,
koreanische Schreibweise Kang Min-young (Geburtsjahr und -ort nicht bekannt), nicht zu verwechseln mit der koreanisch-amerikanischen Pianistin Min Young Kang, ist Autorin und Chefredakteurin eines südkoreanischen Filmmagazins.
Die englische Übersetzung des Titels ihres ersten Romans lautet „Don’t Let me Freeze Up, Please“. Sie hat zudem eine Essaysammlung mit dem Titel „Ride a Bicycle and Keep Going“ pulbiziert. Auf der populären koreanischen E-Book-Platform Ridi veröffentlicht sie Kurzgeschichten.
Der jetzt auf Deutsch erschienene Roman „Plant Lady“ wurde im Original 2024 von Hankyoreh Publishing veröffentlicht, der Verlag gibt insbesondere eine bekannte linksliberale Zeitung heraus. Die Rechte für „Plant Lady“ wurden in neun Ländern verkauft, darunter Grossbritannien, die USA, Frankreich, Italien und Deutschland.
Minyoung Kang lebt in Südkorea.