Fitzgerald, MeToo und eine gar nicht so süsse Rache

Der erste Satz
Als es vorbei ist, steht sie starr hinter einer gläsernen Wand, in lautlosem, bebendem Grauen gefangen.

Krimi der Woche ∙ N° 46/2025 ∙ Hanspeter Eggenberger

Starschauspielerin Lila Crayne verfilmt mit ihrem Verlobten, einem bedeutenden Regisseur, eine feministische Version des Literaturklassikers „Zärtlich ist die Nacht“ von F. Scott Fitzgerald. Dafür sucht sie Hilfe beim Therapeuten Jonah Gabriel. Der hat, wie Lila und auch Fitzgerald zu seiner Zeit, in Princeton studiert und ist offenbar ein Kenner von Fitzgeralds Werk. Jonahs Interesse an seiner prominenten Klientin geht schnell über den professionellen Rahmen hinaus, was sie aber nicht zu stören scheint.

Die Ausgangslage in „Sweet Fury“, dem Romandebüt der amerikanischen Schauspielerin, Theaterautorin und -regisseurin Sash Bischoff ist zunächst pikant. Doch mehr und mehr geht es um nicht nur übergriffige, sondern auch schwer missbräuchliche Beziehungen. Mehr zum Plot zu sagen, der immer neue Wendungen – meist zum Schlimmeren – nimmt, würde zu viel verraten. Die Geschichte ist raffiniert komponiert, lange Zeit sind die immer neuen Twists nicht vorhersehbar, auch wenn uns die Autorin zunehmend mehr spüren lässt, was die Hauptfiguren antreibt. Und sie erzählt gekonnt, auch mit Witz und mit teils spöttischem Blick sowohl auf den Eliteuniversitätsbetrieb wie auf das Filmgeschäft.

Es ist eine Rachegeschichte, so viel kann verraten werden, steht auf dem Cover der deutschen Ausgabe des Buchs doch, angelehnt an den Fitzgerald-Titel, „Zärtlich ist die Rache“. Female Rage hat sich in der letzten Zeit fast schon zum einem neuen Subgenre der Kriminalliteratur entwickelt, doch so literarisch getrieben wie hier, haben wir das noch nicht gesehen. Sash Bischoff hat, wie ihre Protagonisten, auch in Princeton studiert, und ihr erster Roman ist auch eine, teils durchaus kritische, Hommage an den berühmten Princeton-Alumni. Von dem sich seine Verehrer im Roman das nehmen, was ihnen gefällt. Mit dem Fitzgerald-Zitat „Alles Leid, das er je erfahren hatte, aller Kummer und Schmerz, war durch Frauen verursacht worden“, tröstet sich etwa der die professionellen Grenzen überschreitende Therapeut.

„Sweet Fury“ als feministischen Thriller zu bezeichnen, wäre etwas hoch gegriffen. Aber #MeToo spielt ein bisschen mit. Und die Selbstbehauptung der Frauen „in einer Welt, in der die Männer das Sagen haben“, ist ein zentrales Thema. Das Leben in dieser Welt bedeute für die meisten Frauen, „ein ums andere Mal verraten zu werden, alles schweigend hinzunehmen und den Schmerz allein zu ertragen“, sagt Lilas Mutter. „So ein Leben ist nichts als ein langes, langsames Sterben.“ Das werde sich nie ändern, ist die Mutter pessimistisch. Lila jedoch scheint sich nicht damit abfinden zu wollen.

Wertung: 4 / 5

Sash Bischoff: Sweet Fury
(Original: Sweet Fury. Simon & Schuster, New York 2025)
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Fischer, Frankfurt am Main 2025. 394 Seiten, 24 Euro/ca. 35 Franken

Bestellen bei Amazon

 

Bild: Beowulf Sheehan

Sash (Sarah-Ashley) Bischoff,

geboren ca. 1987 in Südkalifornien, begann als 6-Jährige eine Schauspielkarriere. Um etwas gegen die Schüchternheit des Mädchens zu unternehmen, brachte die Mutter die kleine Sarah Ashley damals zum Vorsprechen für eine regionale Theaterproduktion von „A Christmas Carol“. Damit habe sie ihre Passion gefunden, sagte Sash Bischoff im „PAW Book Club Podcast“ der Princeton University. Sie spielte in vielen Produktionen im Kindertheater, auf regionalen Bühnen und auch in TV und Film. Während der High-School in San Diego sei sie nach Schulschluss jeweils für die Filmarbeiten den langen Weg nach Los Angeles gefahren.

An der renommierten Princeton University in New Jersey, die sie 2009 abschloss, studierte sie Theater und kreatives Schreiben, unter anderem bei Jeffrey Eugenides und Joyce Carol Oates. Sie wurde mit dem Creative Writing Fiction Award der Universität ausgezeichnet und gründete die Princeton Writers Group, eine Runde von Autoren. In New York arbeitete sie in der Folge bei verschiedenen Theaterproduktionen am Broadway, off Broadway und bei Tourneen, vor allem im Regiebereich. Zudem schrieb sie eigene Stücke.

„Sweet Fury“, ihr erster Roman, ist Anfang 2025 in den USA, in Kanada und in Grossbritannien erschienen. Er wurde nicht nur ins Deutsche übersetzt, sondern wurde oder wird unter anderem auch in Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, Russland, Brasilien, Japan und China publiziert.

Sash Bischoff lebt mit ihrem Mann Ben Borton, der im September 2025 geborenen Tochter Lola und mehreren Haustieren im West Village im New Yorker Stadtteil Manhattan.


Weiter
Weiter

Hier gibt es keine Unschuldigen