Für diesen Thriller gilt Gurtpflicht

Der erste Satz
Beauregard fand, dass der Nachthimmel wie ein Gemälde aussah.

Krimi der Woche ∙ N° 15/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

Anschnallen, bitte! „Hinter dem Lenkrad zu sitzen, die Cops im Nacken, vor sich die Strasse, während alle drumherum sich wünschten, sie hätten braune Hosen angezogen. Das war ein Rausch, der sich durch Drogen oder Alkohol nicht ersetzen liess. Er hatte es ausprobiert.“

Beauregard „Bug“ Montage war Fluchtfahrer. Jetzt hat der Afroamerikaner Frau und Kinder, betreibt eine Autowerkstatt im ländlichen Virginia. Fährt dann und wann noch illegale Rennen auf verlassenen Strassen im Hinterland. Durch neue Konkurrenz sinken die Einnahmen der Werkstatt. Das Altersheim droht seine Mutter rauszuwerfen, weil sie mit den Zahlungen im Rückstand ist. Eines der Kinder braucht eine Zahnspange. Beauregard braucht also Geld. Ein alter Bekannter schlägt ihm einen Juwelenraub vor. Obwohl mit dem Typen schon früher ein Projekt schiefgelaufen ist, steigt er ein.

„Blacktop Wasteland“ heisst der neue Roman des Afroamerikaners S. A. Cosby. Für diesen Thriller gilt Gurtenpflicht. Spektakuläre Verfolgungsjagden und wüste Brutalität sorgen für Tempo und Action. Dazu kommen aufwühlende Schilderungen des Lebens in ärmlichen Verhältnissen im ruralen Amerika, prekärer Familienverhältnisse und des allgegenwärtigen Rassismus. Cosby verdichtet das zu einem brillant geplotteten und virtuos erzählten Südstaaten-Noir-Roman.

Aus Not, aber auch wegen des Kitzels, fährt Beauregard, in dessen Adern Benzin fliesst, wieder Fluchtwagen. Natürlich läuft es nicht so, wie es geplant war. Und auf früher unzuverlässige Komplizen ist heute kein Verlass. „Er wusste, dass es unter Dieben keine Ehre gab. Man wurde nur für den Nutzen respektiert, den man für jemanden hatte, und für den Umfang der Angst, die man verbreitete.“ Beauregard gerät in eine dramatische Spirale der Gewalt, die ihn immer weiter runterzieht, und seine Familie wird in die erbarmungslosen Auseinandersetzungen hineingesogen.

„Ich habe mich immer als zwei Personen gesehen“, sagt er einmal. „Manchmal war ich Bug und manchmal war ich Beauregard. Beauregard hatte Frau und Kinder. Er hatte eine Firma und ging zu den Schulaufführungen seiner Söhne. Bug … na ja, Bug überfiel Banken und Geldtransporter, raste mit hundertsechzig in die Kurve und warf die Leute, die seinen Cousin umgebracht hatten, in eine Schrottpresse. Ich habe immer versucht, die beiden auseinanderzuhalten. Beauregard und Bug. Aber mein Daddy hatte recht. Man kann nicht Heiliger und Sünder zugleich sein.“ Sein Daddy entschied sich für die Rolle als Sünder. Er verschwand eines Tages, liess die Familie zurück. Beauregard hat sich noch nicht entschieden.

Wertung: 5 / 5

S. A. Cosby: Blacktop Wasteland
(Original: Blacktop Wasteland. Flatiron Books, New York 2020).
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger
ars vivendi verlag, Cadolzburg 2021. 320 S., 22 Euro/ca. 33 Franken

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Bild: S. A. Cosby

S. (Shawn) A. Cosby,

geboren 1973, ist in der ländlichen Region an den Ufern der Chesapeake Bay im Südosten des US-Bundestaats Virginia in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Schon in seinen Jugendjahren wollte er Schriftsteller werden. Seine Mutter ermunterte ihn, als Übung Romane umzuschreiben, deren Ende er nicht mochte. Er stürzte sich dafür aufs Horror-Genre und wollte, wie er in einem Interview sagte, „ein afroamerikanischer Stephen King“ werden. Durch einen Onkel stiess er schon früh auch auf Kriminalliteratur, etwa von John D. MacDonald und Mickey Spillane.

Er studierte Englische Literatur an der Christopher Newport University in Newport News, Virginia, brach das Studium aber ab, um sich um seine erkrankte Mutter zu kümmern. Er arbeitete unter anderem als Gabelstapelfahrer, Landschaftsgärtner, Roadie, Bauarbeiter und Türsteher.

In kleinen Verlagen veröffentlichte er seine ersten beiden Romane, „Brotherhood of the Blade“ (2015) und „My Darkest Prayer“ (2019). Der Durchbruch kam 2020 nach dem renommierten Anthony Award für die Kurzgeschichte „The Grass Beneath My Feet“ mit dem Roman „Blacktop Wasteland“, der von der Kritik in den USA begeistert aufgenommen wurde. Inzwischen wurden die Filmrechte von einer kleineren Produktionsfirma gekauft; Virgil Williams, der für seine Adaption von „Mudbound“ 2018 für einen Oscar nominiert war, schreibt das Drehbuch. Das Hollywood-Studio Paramount hat sich die Rechte für Cosbys nächsten Roman, „Razorblade Tears“ (Deutsch: „Die Rache der Väter“) gesichert; Jerry Bruckheimer und Chad Oman werden den Film produzieren.

Shawn A. Cosby ist verheiratet mit Kimberley Redmond, die in Shacklefords, Virginia, das Bestattungsinstitut J. K. Redmond Funeral Home führt, das sie von ihrem Vater übernommen hat. Neben dem Schreiben hilft Cosby da zeitweise als Bestatter aus. Ansonsten ist er begeisterter Schachspieler, passionierter Wanderer und fleissiger Twitterer. Das Paar lebt in Gloucester, Virginia.


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