Gewalt und Korruption in Südafrika

Der erste Satz
Da ist dieser Typ in Kapstadt auf einem Craft-Beer-Festival.

Krimi der Woche ∙ N° 53/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

Rick wollte in Kapstadt nur ein bisschen entspannen. Doch bei einem Strandspaziergang sieht er, wie ein Touristenpärchen von zwei Typen überfallen werden. Er rennt hin um zu helfen. Da taucht ein dritter Mann auf und erschiesst ihn. Weder die Polizei noch der von Ricks Frau, der Unternehmerin Angela Amalfi, engagierte Privatdetektiv Fish Pescado kann den Fall klären.

Damit beginnt „Das Schlupfloch“, der vierte Roman der Kapstadt-Serie um Fish Pescado und Vicki Kahn von Mike Nicol. Fish ist leidenschaftlicher Surfer, arbeitet als Privatdetektiv und nebenbei als Marihuana-Dealer. Seine Freundin Vicki ist als Anwältin für eine NGO tätig und war Agentin bei der State Security Agency, dem südafrikanischen Geheimdienst. Als die beiden feststellen, dass sie verfolgt werden und dass Fishs Häuschen verwanzt ist, sind sie nicht sicher, wem von beiden diese Aufmerksamkeit gilt. Vielleicht beiden.

Seit dem Mord am Strand sind zwei Jahre vergangen. Fish hat erneut mit der Familie Amalfi und deren Unternehmen zu tun zu tun: Ein Banker hat ihn in Zusammenhang mit einem grossen Projekt für den Staat mit Abklärungen über die Geschwister Amalfi beauftragt. Gleichzeitig wird Vicki von einem Geheimdienstler, der zu viel über sie weiss, genötigt, sich an einen anderen Banker, der mit diesem Projekt zu tun hat, heranzumachen.

Virtuos wie immer entwickelt der südafrikanische eine höchst komplexe Geschichte, die zunächst ziemlich undurchsichtig ist – und bis zum Ende nie komplett durchschaubar wird. Es geht um ein riesiges Geschäft, das einige auf Kosten des Staates reich machen soll. Neben korrupten Beamten interessieren sich auf Geheimdienstler für das Projekt. Aber nicht etwa, um Schaden vom Staat abzuwenden, sondern um dabei in die eigene Tasche zu wirtschaften. Vicki sieht es nüchtern: „Regierungen sind organisierte Verbrecherbanden, die bloss einen anderen Namen haben.“

Das Projekt entzweit zudem die Geschwister Amalfi. Angela will das Geschäft, das ihr skrupelloser Bruder eingefädelt hat, platzen lassen. Der schickt gegen seine eigene Familie den Security-Chef der Firma vor, der nebenbei auch für den Geheimdienst arbeitet – und am Ende auch seine Prozente vom Projekt abkassieren will.

Es ist eine bitterböse Geschichte, die Mike Nicol knallhart, aber mit Witz erzählt, gleichzeitig gefühlvoll und brutal. Es gibt nicht nur reichlich Action und etliche Leichen, sondern auch Einblicke in die Sümpfe der Korruption nicht nur in der Politik und bei Geheimdiensten, sondern auch in der Geschäftswelt: „Bilanzen sind wie Romane. Sie lassen Fiktion wie die Wirklichkeit aussehen.“

Wertung: 4,4 / 5

Mike Nicol: Das Schlupfloch
(Original: The Rabbit Hole. Umuzi/Penguin Random House South Africa, Kapstadt 2021)
Aus dem Englischen von Mechthild Barth
btb/Random House, München 2021. 523 Seiten, 11 Euro, ca. 17 Franken

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Bild: Guido Schwarz

Mike Nicol,

geboren 1951 in Kapstadt, studierte an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg und arbeitete als Journalist. Als Schriftsteller veröffentlichte er 1978 einen Gedichtband, es folgten mehrere Romane und Kinderbücher sowie Sachbücher, darunter etwa „A Good-Looking Corpse, The World of Drum – Jazz and Gangsters, Hope and Defiance in the Townships of South Africa“ (1991), die autorisierte Biografie „Nelson Mandela: the Authorised Portrait“ (2006; Deutsch: „Mandela: Das Porträt“) sowie Bücher über John Lennon und den Dalai Lama. In den 1990er-Jahren erschienen drei Romane von Nicol, keine Krimis, bei Rowohlt auf Deutsch. Als Krimiautor machte er seit 2008 mit der virtuosen „Rache-Trilogie“ („Payback“, „Killer Country“, „Black Heart“; alle drei unter diesen Titeln auch auf Deutsch) von sich reden. „Of Cops & Robbers“ (2013, Deutsch 2015 als „Bad Cop“) war der erste Band der Kapstadt-Serie, die er mit „Korrupt“ (2018, Original: „Agents of the State“) und „Sleeper“(2019) fortsetzte; dazwischen erschien zudem der Thriller „Power Play“ (alle bei btb). Nun führt er mit „Das Schlupfloch“ (Original: „The Rabbit Hole“) die Kapstadt-Serie im Fish Pescado fort.

Mike Nicol verbrachte 1997 ein Jahr als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Berlin und erhielt 2002 eine Gastprofessur als „Poet in Residence“ an der Universität-Gesamthochschule Essen. Heute zählt er mit Deon Meyer und Roger Smith zu den bedeutendsten Thriller-Autoren Südafrikas. Er lebt er als freier Schriftsteller und Journalist in Kapstadt und unterrichtet an der dortigen Universität.


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