Ein Sumpf von Missbrauch und Korruption auf dem Land

Der erste Satz
Die feuchte Hand des Abgeordneten Cyrus Johnsrud hat ihren Ellenbogen losgelassen, gleitet nun ihre Wirbelsäue hinunter und stoppt dabei genussvoll bei jedem Wirbel unter dem Stoff ihres Kleides.

Krimi der Woche ∙ N° 15/2024 ∙ Hanspeter Eggenberger

Heidi, die ehemalige Milchkönigin, ist im ländlichen Wisconsin Sheriff. Dairy Queen war Heidi White in ihren späten Teenagerjahren. Jetzt, zwölf Jahre später, ist sie Interims-Sheriff im Bad Axe County, nachdem Sheriff Gibbs plötzlich gestorben ist. Gibbs war korrupt, und sein Stellvertreter gehörte zu seinem Netzwerk. Heidi ist Polizistin geworden, ist verheiratet mit der lokalen Baseball-Legende Harley Kick und Mutter von drei Kindern. Da sie eben einen Mordfall mit Bravour gelöst hat, wird ihr interimistisch die Leitung des Sheriff’s Department übertragen. Bis zur Ersatzwahl für Gibbs.

Heidi Kick ist die Hauptfigur des Kriminalromans „Bad Axe County“ von John Galligan. Es ist der Auftakt einer Serie, die ihm Original inzwischen vier Bände umfasst.

Das ehemalige Milchmädchen, das irgendwo auf dem Land zwischen Kühen und Käsereien für Recht und Ordnung zu sorgen hat – das könnte die Ausgangslage für eine putzige Cosy-crime-Geschichte sein. „Bad Axe County“ ist das pure Gegenteil. Der beinharte Country-Noir unterhält nicht nur mit reichlich Action, sondern schockiert auch mit drastischen Szenen. Minderjährige Teenager werden von ganzen Gruppen von Baseballspielern vergewaltigt. Mädchen werden gekauft und verkauft, auch für Snuff Pornos. Der lokale Fotograf, der Rodeobullen ebenso porträtiert wie die Schulkinder fürs Jahrbuch, macht auch Sexbilder von Minderjährigen. Fast ebenso furchtbar sind Szenen mit einem alten kranken Mann, der in Windeln dahinvegetiert und dem seine Tochter und ihr Freund die Schmerzmittel klauen, um sich selbst damit zuzudröhnen.

Während Unwetter und Überschwemmungen das County bedrohen, kommt Heidi auf der Suche nach einem vermissten Mädchen einem Missbrauchsnetzwerk auf die Spur, dem Sportler und andere lokale Honoratioren angehören, darunter auch der inzwischen tote Sheriff und sein Stellvertreter. Und ehemalige Mannschaftskameraden von Harley Kick, sodass sich Heidi zu fragen beginnt, was wohl ihr Mann darüber weiss. Neben all dem geht Heidi auch dem Tod ihrer Eltern nach. Sie wurden vor zwölf Jahren erschossen. Dass ihr Vater ihre Mutter und dann sich selbst erschossen habe, wie der Sheriff den Fall abschloss, hat sie nie geglaubt. Und dann muss sich Heidi entscheiden, ob sie bei der Wahl zum Sheriff antreten will, obwohl so von gewissen Kreisen im County heftig angefeindet wird.

John Galligan erzählt die böse Geschichte schonungslos, teils so hart, dass es nicht einfach auszuhalten ist. Schwarzer Humor macht das Ganze erträglicher. Und vor allem die gewitzte Heldin, von der man gerne mehr liest.

Wertung: 4 / 5

John Galligan: Bad Axe County
(Original: Bad Axe County. Atria Books, New York 2019)
Aus dem Englischen von Kathrin Bielfeldt. Mit einem Nachwort von Sonja Hartl
Polar Verlag, Stuttgart 2024. 422 Seiten, 17 Euro/ca. 25 Franken

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Bild: Ya-Ling Tsai

John Galligan,

geboren 1958 in Spokane im US-Bundesstaat Washington, wuchs dort sowie in Portland, Oreagon auf. An der University of Wisconsin in Madison schloss er Studien in Umweltpolitik (BS) und in englischer Literatur (MA) ab. Er arbeitete unter anderem als Zeitungsjournalist, Drehbuchautor, Anstreicher und Taxifahrer sowie in Japan als Lehrer. Seit 1987 unterrichtet er Schreiben am Madison Area Technical College.

Bevor 2001 sein erster Roman „Red Sky, Red Dragonfly“ erschien, hat er Kurzgeschichten veröffentlicht. Von 2003 bis 2011 erschienen vier Kriminalromane mit dem Fliegenfischer Ned „Dog“ Oglivie als Hauptfigur. 2019 startete er mit dem jetzt auf Deutsch erschienenen Titel „Bad Axe County“ eine Reihe mit Sheriff Heidi Kick im ländlichen Wisconsin, die er mit „Dead Man Dancing“ (2020), „Bad Moon Rising“ (2021) und „Bad Day Breaking“ (2022) fortführte.

John Gilligan ist verheiratet und hat zwei Söhne. Er lebt und arbeitet in Madison, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Wisconsin.


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„Auf Misstrauen kann man vertrauen“